Der Mehrparteienvertrag schafft den rechtlichen Rahmen für die Integrierte Projektabwicklung. Ausgehend von der Integration der relevanten Wertschöpfungspartner und der Definition gemeinsamer Projektziele bildet er die Regeln der Zusammenarbeit ab, die in den vier Säulen dargestellt sind. Klassische Vertragsstrukturen stehen dem Aspekt der Kollaboration zum Teil entgegen, da diese strukturell Anreize schaffen, die einem gemeinsamen Projektziel entgegenwirken. Sie bewirken häufig, dass einzelne Projektbeteiligte ihre Gewinnmaximierung durch Einzeloptimierung zu Lasten der Ziele des Gesamtprojekts verfolgen.
Bei einem Mehrparteienvertrag handelt es sich um einen Vertrag, der vom Bauherrn und wesentlichen Wertschöpfungspartnern aus der Planung und Ausführung unterzeichnet wird. Dies können auch ein Generalplaner und ein Generalunternehmer sein, sofern Kumulativeinsatzträger zum Einsatz kommen.
Im Rahmen von IPA-Projekten kommen international neben reinen Mehrparteienverträgen auch aufeinander abgestimmte Einzelverträge in Verbindung mit einer übergeordneten Rahmenvereinbarung oder eine Projektgesellschaft, die durch die wesentlichen Projektbeteiligten gegründet wird, zum Einsatz. Als häufigste Ausprägung der Integrierten Projektabwicklung kann im Hinblick auf den Strukturierungsansatz jedoch die Anwendung eines reinen Mehrparteienvertrages betrachtet werden. Dies kann damit erklärt werden, dass damit einerseits Herausforderungen im Zusammenhang mit der Bildung einer Projektgesellschaft vermieden werden, andererseits durch einen einzigen Vertrag ein hohes Maß an Gemeinsamkeit in der Abbildung der Regeln der Zusammenarbeit erreicht wird.
Integration relevanter Wertschöpfungspartner:
Der Mehrparteienvertrag verbindet die wesentlichen Wertschöpfungspartner eines Projektes. So bestehen auch zwischen Planern und Bauausführenden direkten vertragliche Beziehungen. Dies wirkt der klassischen Silostruktur in Projekten entgegen.
Definition gemeinsamer Projektziele
In traditionellen Projekten sind Projektziele i.d.R. durch den Bauherren vorgegeben. Teilweise führt dies dazu, dass Ziele verfolgt werden, die unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht erreicht werden können. Durch die gemeinsame Entwicklung von Projektzielen auf Basis der Anforderungen des Bauherrn wird diesem Effekt entgegengewirkt. Gleichzeitig wird die Identifikation der Partner mit den Projektzielen erhöht. Insgesamt steigt damit die Wahrscheinlichkeit einer Zielerreichung.
Regeln der Zusammenarbeit
Der Mehrparteienvertrag dient als Basis für die Realisierung des Projekts mithilfe von Lean IPD, da die wesentlichen Regeln der Zusammenarbeit im Mehrparteienvertrag vereinbart werden. Hierzu zählen beispielsweise die Elemente, die in den vier Säulen des Modells dargestellt sind.
Regeln zu Haftung und Versicherung zur Förderung von Kollaboration und Innovation
Haftung ist vielfach ein Hemmnis in traditionellen Projekten. Die Beteiligten gehen lieber den sicheren Weg, um Haftungsrisiken auszuschließen. Umgekehrt können Haftungsbeschränkungen dazu führen, dass die Beteiligten in höherem Maße bereit sind, innovative Lösungen umzusetzen. Zugleich konzentrieren sich die Projektbeteiligten im Falle von Fehlern und Störungen nicht auf Suche nach dem Schuldigen, sondern auf eine schnelle und konstruktive Lösungsfindung. Mit Hilfe von Projektversicherungen können damit einhergehende Risiken für die Vertragspartner abgemildert werden.
Gemeinsame Zieldefinition,
Im Rahmen von IPD-Projekten kommen alternativ auch aufeinander abgestimmte Einzelverträge in Verbindung mit einem allgemeinen Rahmenvertrag oder eine Projektgesellschaft gegründet durch die wesentlichen Projektbeteiligten zum Einsatz. Als Idealzustand der Integrierten Projektabwicklung wird im Hinblick auf den Strukturierungsansatz jedoch die Anwendung eines Mehrparteienvertrages empfohlen.
Quellen
Die vorliegenden Informationen sind im Wesentlichen den folgenden Veröffentlichungen entnommen:
Haghsheno, S.; Baier, C.; Budau, M.; Schilling Miguel, A.; Talmon, P.; Frantz, L. (2022): Strukturierungsansatz für das Modell der Integrierten Projektabwicklung (IPA). In: Bauingenieur, 97 (3) S.1-14.